Was du über die neuen Stopper am Straßen-Rennrad wissen musst! Wir berichten über die Vor- und Nachteile und erklären die Montage-Standards. Außerdem sind wir bereits ausführlich mit einem Disc-Renner Probe gefahren.
Scheibenbremsen: Überflüssig oder überlegen?
Kaum ein Thema wird derzeit unter Rennradfahrern heißer diskutiert. Die Meinungen reichen von „überflüssig“ bis „innovativ“. Aber eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Scheibenbremse ihren Weg ans Rennrad finden würde. Denn ganz nüchtern betrachtet ist ein Scheibenbremsensystem einer herkömmlichen Felgenbremse in fast allen Disziplinen überlegen.
Vorteile von Scheibenbremsen
- Optimale Bremswirkung bei jeder Witterung
- Kein Felgenverschleiß
- Keine Gefahr von Überhitzung der Felge auf langen Abfahrten
- Geringe Handkräfte (bei hydraulischen Systemen)
- Kein Zugverschleiß (bei hydraulischen Systemen)
Am Mountainbike ist der Wechsel zu Scheibenbremsen längst zu 100 Prozent vollzogen. Am Rennrad dauert dieser Prozess noch an. Zum einen, weil das neue Bremssystem noch nicht uneingeschränkt für den Einsatz bei Profirennen zugelassen wurde (siehe entsprechenden Absatz). Zum anderen, weil viele Rennradfahrer dem System noch skeptisch gegenüber stehen. Zum Beispiel aufgrund der ungewohnten Optik am Rad. Oder wegen des etwas höheren Systemgewichts gegenüber Felgenbremsen. Auch die Standfestigkeit auf langen Abfahrten wird oft angezweifelt. Zu unrecht! Denn selbst mit einem ungleich schwereren Mountainbike kann man schließlich lange Abfahrten absolvieren, ohne dass die Scheibenbremse schlapp macht. Hinzu kommt auf einer Alpenüberquerung sogar noch das Gewicht des Gepäcks!
Lange Abfahrten ohne Angst im Nacken! Mit Scheibenbremsen ist die Gefahr eines geplatzten Schlauchs aufgrund einer heißen Felge gebannt.
Seit etwa drei Jahren jedoch, beginnen sich Scheibenbremsen mehr und mehr am Rennrad zu etablieren. Jeder große Hersteller hat inzwischen Straßenrad-Modelle mit Scheibenbremsen im Programm. Meist in den Kategorien Tour, Marathon und Gravel (Cyclocross). Lediglich an preiswerten Einsteigerrädern sowie an den Sport- und Race-Modellen findet man noch überwiegend Felgenbremsen.
Scheibenbremsen im Straßen-Wettkampfsport
Für den privaten Gebrauch unterliegen Scheibenbremsen keinerlei Einschränkungen. Bei der Teilnahme an Straßenrennen gelten jedoch in Bezug aufs Material die Vorschriften des Welt-Radsport-Verbandes (UCI). So wurden Scheibenbremsen für die Saison 2016 erstmals im Testmodus freigegeben. Im selben Jahr verletzte sich jedoch ein Rennfahrer bei einem Sturz am Bein. Angeblich sollte die Wunde von einer Scheibe verursacht worden sein. Auch wenn dies nicht zweifelsfrei bewiesen werden konnte, zog die UCI ihre Freigabe für die Scheibenbremsen vorerst wieder zurück. In der Saison 2018 lief aber wieder eine Testphase unter bestimmten Vorgaben (z. B. müssen die Scheiben entschärfte Kanten aufweisen). Einheitliche Regeln sollten inzwischen beschlossen worden sein.
Rennrad Scheibenbremsen – Die Technik
Die beiden wichtigsten Hersteller von Scheibenbremsen für Rennräder sind Shimano und Sram. Wir empfehlen ausschließlich hydraulische Bremssysteme, bei denen die Handkraft über Öldruckleitungen zu den Bremssätteln übertragen wird. Rein mechanische Systeme mit Bowdenzug oder Hybridsysteme mit Bowdenzug und Öldruckzylinder können die Vorteile einer Scheibenbremse nicht voll ausspielen.
Montage Bremssattel
Grundvoraussetzung ist – wie beim Mountainbike – ein Rahmen, der an Gabel und Hinterbau entsprechende Gewindeflansche für die Bremssättel aufweist. Während anfangs der Lochabstand bzw. Montagestandard am Sattel dem von Mountainbikes entsprach (IS 2000, Postmount), schuf Shimano jüngst für Rennräder den so genannten Flat Mount Standard (geringerer Lochabstand).
Scheiben und Laufrad-Achsen
Zwei Scheibengrößen sind fürs Rennrad erhältlich: Generell empfehlenswert sind Scheiben mit 160 Millimeter Durchmesser. Die kleineren 140er Scheiben sehen eleganter aus, erfordern aber aufgrund des ungünstigeren Hebelverhältnisses höhere Handkräfte. Darüber hinaus werden sie schneller heiß. Generell vermeiden sollte man deshalb Dauerbremsen und schleifende Beläge mit halb gezogenem Hebel. Lieber kurz und kraftvoll bremsen.
Der Nabenflansch für die Scheiben entspricht dem von Mountainbikes: Entweder eine 6-Loch Verschraubung oder das Shimano Centerlock-System. Bei Einführung der Rennrad-Discs wurden die Laufräder meist noch mit herkömmlichen Schnellspannern im Rahmen fixiert. Heute findet man zunehmend Laufräder/Rahmen mit Steckachssystemen. Steckachsen wirken den hohen Verwindungskräften beim Bremsen besser entgegen (einseitig montierte Scheiben!). Achtung! Es gibt verschiedene Achsdurchmesser: 9, 12 oder 15 mm am Vorderrad/10 oder 12 mm am Hinterrad.
Im RABE Dauertest: GIANT DEFY ADVANCED PRO 2 (2016) mit Shimano Ultegra Scheibenbremsen
Ich sitze seit über 30 Jahren im Rennradsattel, bislang stets auf Rädern mit Felgenbremsen. Das GIANT Defy Advanced Pro 2 ist also mein erstes Straßen-Modell mit Scheibenbremsen.
Seit über zwei Jahren habe ich den blauen Carbonrenner nun im Einsatz. Nach einigen Tausend Kilometern und Zehntausenden Höhenmetern ist es an der Zeit, ein Resümme zu ziehen.
Mein Fahrerprofil: Als leidenschaftlicher Berg- und Tourenfahrer bin ich viel auf Bergstraßen und Alpenpässen unterwegs. Ich wiege ungefähr 80 Kilo. Genügend Gelegenheiten also für die Ultegra Scheibenbremse, ihre Standfestigkeit unter Beweis zu stellen. Doch zunächst ein paar Worte zum Design. Über die ungewohnte Optik eines Rennrades mit Scheibenbremsen wird viel diskutiert. Letztendlich ist alles Geschmackssache, aber mir hat der cleane Verlauf der Sitzstreben und der Gabelkrone auf Anhieb gefallen. Klar, wer sich partout nicht damit anfreunden kann, muss wohl bei der Felgenbremse bleiben.
Die Technik der Bremse: Die Shimano Ultegra ist eine vollhydraulische Bremse, deren Leitungen mit Mineralöl befüllt sind. Zum allgemeinen Gewichtsvergleich: Mit einer Ultegra Felgenbremsanlage würde man am gesamten Rad etwa 500 Gramm einsparen. Aber mit dem Mehrgewicht kann ich leben. Definitiv kein signifikanter Minuspunkt für die Scheibe. Skeptisch war ich vor den ersten Bergfahrten jedoch angesichts des Scheibendurchmessers von filigranen 140 Millimetern. Geradezu winzig im Vergleich zum meinem Enduro-MTB mit 200-mm-Scheiben. Die Bremshebel liegen ergonomisch sehr gut in der Hand und an den Fingern. Das Gefühl beim Ziehen der Bremse ist nicht extrem leichtgängig sondern eher angenehm-satt. Man spürt sofort einen definierten Druckpunkt, sobald sich die Beläge an die Scheibe legen. Sehr überzeugend: Gefühl und Druckpunkt sind von Beginn an bis heute unverändert!
Die ersten Touren
Den Ratschlägen zufolge habe ich die Bremsbeläge auf der ersten Ausfahrt folgendermaßen eingebremst: Etwa 30 Bremsvorgänge, eingeleitet bei 30 km/h, bis fast zum Stillstand des Rades. Dieses Prozedere mag gegenüber einer Felgenbremse gewöhnungsbedürftig sein. Stellt aber sicher, dass die Beläge haltbarer und ausdauernder werden. Danach sollte man die Bremsen auf einer längeren Abfahrt einmal richtig heiß bremsen.
Bereits auf den ersten (flachen) Kilometern vermochte mich die Bremse zu begeistern: Die Bremswirkung lässt sich traumhaft dosieren. Einen so linearen, der Handkraft folgenden Anstieg der Bremswirkung hatte ich bei einer Felgenbremse bislang nicht erlebt. Nahezu geräuschlos kommt das Rad zum Stillstand. Man hat den Bremsvorgang stets unter Kontrolle, unkontrolliertes Blockieren ist quasi ausgeschlossen. Im Vergleich zur Felgenbremse würde ich benötigte Handkraft generell etwas höher einstufen. Was sich für meinen Geschmack aber eher positiv auswirkt, weil die Bremse dadurch beherrschbarer bleibt. Und man bei einer Notbremsung nicht sofort über den Lenker geht!
Harter Einsatz am Berg
Besonders gespannt war ich auf das Verhalten der Bremse auf langen Abfahrten, zum Beispiel an einem Alpenpass. Immerhin geht es da im Schnitt über Distanzen von 15 bis 20 Kilometern bergab. Während der ersten Serpentinen/Kilometer ist das Bremsverhalten so unauffällig und leise wie bei einzelnen Bremsungen in der Ebene. Mit zunehmender Erhitzung kommt ein schleifendes Geräusch hinzu (nur beim Bremsen!), welches aber auch nicht lauter ist als bei einer herzhaft benutzen Felgenbremse. Ebenfalls kann man mit der Zeit durchaus ein leichtes Fading spüren. Dieses Nachlassen der Bremswirkung bei Hitze ist typisch für Scheibenbremsen. Der Druckpunkt bleibt stets spür- und kontrollierbar, die Handkräfte werden jedoch höher. Probleme mit Kreischen/Quietschen traten – zumindest bei meiner Bremse – sehr selten auf. Und wenn, dann nur periodisch. Das ist mir mit Felgenbremsen auch schon passiert. Es scheint jedoch hartnäckige Fälle von quietschenden Scheiben zu geben, das kann man nicht wegdiskutieren. Nach dem vollständigen Abkühlen des Systems ging das erwähnte Schleifgeräusch wieder zurück auf ein normales Level.
Bremstechnik von den Profis lernen
Auf keinen Fall sollte man eine Scheibenbremse auf langen Abfahrten ständig schleifen lassen! Dadurch erhitzt sich das System extrem. Das gilt im Übrigen auch für Felgenbremsen, dort kann Dauerbremsen sogar einen gefürchteten Reifenplatzer verursachen. Besser ist es, wie die Radprofis herzhaft und punktgenau vor einer Kurve bremsen. Das verschafft dem System immer wieder kurze Verschnaufpausen zum abkühlen. Stets beide Bremsen benutzen, jedoch im Kraftverhältnis 70 Prozent vorne und 30 Prozent hinten.
Wartung und Kritik
Bremsbeläge sind Verschleißteile. Schaut man sich die winzigen Beläge einer Rennrad Scheibenbremse an, traut man ihnen keine besonders lange Lebensdauer zu. Doch trotz meiner Pässetouren musste ich die Beläge vorne und hinten in den zwei Jahren nur einmal wechseln. Es empfiehlt sich aber ein regelmäßiger Check der Belagsdicke (an besten ausbauen!) um zu verhindern, dass die Scheiben Schaden nehmen. Der Tausch der Beläge ist übrigens im Handumdrehen erledigt.
Bei manchen Scheibenbremsen lässt sich die Belagdicke von oben durch den Bremssattel erkennen (links: Sram). Shimano Beläge mit Kühlrippen am Belagträger baut man lieber aus, um den Verschleiß zu prüfen.
Vergleichsweise aufwändig ist allerdings ein Entlüften der Bremsanlage. Das liegt – anders als beim Mountainbike – an der filigranen, im Schalt-Bremshebel versteckten Technik. Ein endgültiges Urteil kann ich hierzu nicht abgeben, da ein Entlüften bislang noch nicht nötig war. Man sollte aber damit rechnen, dass für diesen Wartungs-Service die Kosten einer Fachwerkstatt anfallen.
Mein einziger erwähnenswerter Kritikpunkt: Hin und wieder musste ich die Bremssättel neu ausrichten, weil die Scheibe nicht mittig und frei zwischen den Belägen lief. Das Problem trat vor allem nach der Laufradmontage auf (z. B. nach einem Transport des Rades). Grund dafür sind die Schnellspann-Achsen der Laufräder. Der Rahmen des GIANT ADVANCED DEFY PRO 2 (Jahrgang 2016) besitzt noch herkömmliche, nach unten offene Ausfallenden.
Beim Einbau mit Schnellspannern lassen sich die Laufräder nie exakt und immer in derselben Position fixieren. Bereits eine minimale Verschiebung im Zehntel-Millimeter-Bereich kann daher die Scheibe aus der Mitte bringen. Schließlich ist der Spalt zwischen den Belägen winzig! Man darf auch nie vergessen, beim Transport des Rades ohne Laufräder eine Transportsicherung zwischen die Beläge zu stecken. Sonst kann es passieren, dass beim versehentlichen Berühren der Bremshebel der Spalt ganz dicht macht! Dann müssen die Beläge wieder aufwändig in ihre Ausgangsstellung zurück gedrückt werden.
Rennräder der aktuellen Generation sind in der Regel mit Steckachs-Systemen ausgerüstet. Mit Hilfe von Steckachsen sitzen die Laufräder stets zu 100 Prozent in der korrekten Position im Rahmen. Und damit laufen auch die Bremsscheiben exakt und ohne Schleifen zwischen den Bremsbacken hindurch.
Mein Fazit
Scheibenbremsen am Rennrad? Warum nicht! Mich haben die modernen Verzögerer jedenfalls rundum überzeugt. Die genannten „Nachteile“ nehme ich in Anbetracht der zuverlässigen Funktion gerne in Kauf. Die Saison kann kommen!
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