Eine neue Gattung E-Mountainbike: Das neue Cannondale Moterra SL!

Eine neue Gattung E-Mountainbike: Das neue Cannondale Moterra SL!

Volle Power, aber leicht!

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Cannondale stellt ein neues E-Bike vor und wie wir es von den Amerikanern gewohnt sind, spielen bisher gesetzte Maßstäbe und Kategorien keine Rolle. Das neue Moterra SL spielt in seiner eigenen Liga. Hier kommen weder exorbitant große Akkus noch ein Light-E-Bike Antrieb zum Einsatz. Cannondale geht einen Mittelweg. Das Ziel: Top Handling, volle Power bei großer Reichweite und ein möglichst niedriges Gesamtgewicht. Mit einem Gewicht von unter 20 Kilogramm für die beiden höchsten Ausstattungen haben die Amerikaner den Nagel auf den Kopf getroffen! Wir konnten das Bike bereits kurz auf den nassen Trails in Portugal beim Launch-Event testen. Unseren ersten Eindruck gibt’s am Ende des Artikels.

Inhalt:

Eckdaten

Das Moterra SL ist ein Trailbike, das an der Enduro-Türe klopft. Die aggressive Geometrie und ein aktives Fahrwerk sollen dem Bike einen breiten Einsatzbereich verleihen. 

Im Moterra SL sind so viele Innovationen vereint, dass wir die selbst erklärenden Daten und Fakten hier mit einer Auflistung abkürzen, um den komplexeren Technologien mehr Aufmerksamkeit schenken zu können.

  • Federweg: Gabel 160mm / Hinterbau 150mm
  • Mullet-Konfiguration ab Werk (29er möglich)
  • Shimano EP801 Motor 85 Nm (Custom Tune) 
  • 601 Wh Akku (Integriert, nicht entnehmbar)
  • Größen von SM-XL (420-505mm Reach)
  • 62,5° Lenkwinkel (einstellbar)
  • Gewichte ab 19,5 Kg (LAB71) und 19,7 Kg (SL1)
  • Preise ab 7999,-€ UVP

Modelle

Insgesamt stehen drei Modelle des Moterra SL zur Auswahl. Den Einstieg macht das Moterra SL2 mit einem UVP von 7999€, die nächste Stufe bildet das SL1 mit 9999€ und das Topmodell ist die Sonderedition LAP71 mit einem UVP der zum Zeitpunkt des Launches noch nicht feststeht und das nur von wenigen ausgewählten Händlern verkauft werden wird.

Moterra SL 2

  • Fox Performance / Performance Elite Fahrwerk
  • Shimano XT Schaltwerk
  • Magura MT5 Bremsen
  • Stans Arch Laufräder
  • Aluminium Lenker
  • 20,6 Kg

Moterra SL 1

  • Fox Factory Fahrwerk
  • SRAM X01 AXS T-Type
  • Magura MT7 Bremsen
  • DT Swiss XM1700 Laufräder
  • Carbon Lenker
  • 19,7 Kg

Günstigere Modelle des Moterra SL wird es erstmal nicht geben, denn das Bike richtet sich klar an sportive Fahrer, die das Bike über Trails jagen und entsprechenden Anspruch an die verbauten Komponenten des Bikes haben werden.

Proportional Response

Hinter diesem Marketing-Slogan steckt viel Entwicklungsarbeit bei der Konstruktion der Rahmensets. Von anderen Herstellern kennt man bereits mitwachsende Kettenstrebenlängen. Dabei geht es darum, die Balance des Fahrers im Bike bei allen Rahmengrößen gleichbleibend zu gestalten. Cannondale gibt sich damit allerdings nicht zufrieden. Mit wachsender Fahrergröße verschiebt sich der Schwerpunkt des Fahrers nach oben und nach hinten. Damit alle Fahrer, egal wie groß oder klein, das bestmögliche Fahrerlebnis haben, wird sowohl die Kettenstrebenlänge, die Hinterbaukinematik sowie auch die Steifigkeit des Rahmens bei jeder Rahmengröße angepasst. Das bedeutet einen deutlich erhöhten Entwicklungsaufwand, allerdings bekommt dadurch unterm Strich jeder die besten Fahrqualitäten des Bikes.

E-Antrieb

Motor

Das Herzstück des E-Antriebs am neuen Moterra SL bildet der Shimano EP801, also die neueste Generation des EP8. Allerdings hat Cannondale an der Software gefeilt und eigene Unterstützungsstufen konfiguriert. So gibt es statt der drei üblichen Stufen, Eco – Trail und Boost, am Moterra SL einen zusätzlichen Trail Modus. Das Bedienelement zeigt jetzt also Eco – Trail 1 – Trail 2 und Boost an. 

Im Gegensatz zu anderen Herstellern, die ein Light E-Mountainbike mit dem Shimano EP8 gebaut haben, sind am Moterra SL allerdings die vollen 600 Watt und 85 Nm Drehmoment des Motors abrufbar. 

Akku

In den letzten Jahren gab es ein kleines Wettlaufen um die größte Akkukapazität im E-Mountainbike-Segment. Die großen, aber auch wirklich schweren 750 Wattstunden-Akkus sind weit verbreitet. Manchen Herstellern hat sogar das nicht gereicht, sodass manche Ausreißer mit Akkus mit bis zu 900 Wattstunden Kapazität ausgestattet wurden. Nachdem sich die Zellen-Technologie allerdings nicht stark weiterentwickelt hat, ist das Resultat der gigantischen Akkus auch ein extrem hohes Eigengewicht des Komplettbikes. Möglich sind solche Akkugrößen aktuell auch nur an offenen Systemen, wie dem Shimano-Motor, das es Drittanbietern ermöglicht, alternative Kapazitäten und Formen der Akkus zu bauen.

Den Weg des Drittanbieters ist auch Cannondale gegangen, allerdings in die andere Richtung. Darfon ist einer der größten Hersteller für E-Bike Akkus und speziell auch für das Shimano-System. Auch für das Moterra SL fertigt Darfon den Akku, allerdings stammt die Entwicklung von Cannondale. Mit 3,1 Kg (inkl. Kabelbaum) und 601 Wh liefert der Akku eine hohe Energiedichte. Ein Bosch 750 Wh Akku wiegt beispielsweise 4,3 Kg.

FlexPivot-Hinterbau

Die Jagd nach Gewichtsersparnissen geht bei der Rahmenkonstruktion weiter. Den FlexPivot-Hinterbau, also eine Kettenstrebe, die auf den Drehpunkt (Horstlink) im Ausfallende verzichtet, gab es bei Cannondale zum ersten Mal am Cross-Country Race-Bike, dem Scalpel. Dabei wird das Carbon der Kettenstrebe so geformt, dass die Strebe ein paar Grad flexen kann und die Funktion des Hinterbaus weiter gewährleistet. Vorteil des FlexPivots: Gewichtseinsparung durch das fehlende Lager und die Verschraubungen, erhöhte Steifigkeit durch ein spezielles Carbon-Layup und ein geringerer Wartungsaufwand. Win win win!


Anpassbare Geometrie

Aggressiv wäre ein kleines Understatement, wenn wir von der Geometrie des Moterra SL sprechen. Der Lenkwinkel ist mit 62.5 Grad flacher als der vieler Downhill-Bikes. Um die Balance im Bike zu bewahren, sind die Kettenstreben nicht zu kurz. Die Größen S und M starten mit 449 Millimetern, danach wächst die Kettenstrebe auf bis zu 458 Millimetern am XL-Rahmen. Durch das kleine 27,5 Zoll Hinterrad soll allerdings ein verspieltes Handling gewährleistet sein. 

Wem die Geometrie etwas zu racig klingt, der hat die Möglichkeit den Lenkwinkel anzupassen. Standardmäßig kommt das Moterra SL mit Steuersatzschalen, die eine 0,6 Grad Anpassung zulassen. Eingebaut sind die Schalen erstmal in der flachen Position. Dreht man die Schalen um, wird der Lenkwinkel um 1,2 Grad steiler. Optional erhältlich sind neutrale, also 0 Grad-Steuersatzschalen, die den Lenkwinkel auf 63,1 Grad bringen.

Ab Werk wird das Moterra SL als Mullet-Setup ausgeliefert, kann aber auch mit einem 29 Zoll Hinterrad gefahren werden. Für diesen Zweck gibt es an der Verbindung zwischen Sitzstrebe und Linkage einen Flip-Chip, der für ein 29 Zoll Hinterrad gedreht wird. So soll die Geometrie entsprechend angepasst werden, um den Charakter des Bikes zu erhalten.

Kabelführung

Sobald ein neues Bike vorgestellt wird, ist eines der am heißesten diskutierten Themen die Kabelführung. Die einen lieben den aufgeräumten Look der Kabelführung durch die Steuersatzschale, die anderen verabscheuen den erhöhten Aufwand bei der Wartung der Steuersatzlager oder beim Tausch der Hinterradbremse. Cannondale gibt den Leuten was sie wollen, nämlich beides. Am Moterra SL können die Bremsleitung und der Schaltzug sowohl durch den Steuersatz als auch durch das Steuerrohr verlegt werden. Die Ausnahme macht das LAB71 Sondermodell, allerdings ist hier auch alles elektronisch und kabellos, was möglich ist, sodass nur die hintere Bremsleitung durch die Steuersatzkappe verläuft.

Unser erster Testeindruck

Wir hatten die Gelegenheit, das Bike bereits vor dem offiziellen Launch ausprobieren zu können. Die Witterungsbedingungen zu unserem Testtag waren zwar alles andere als optimal und aufgrund des Starkregens hatten wir auch nur relativ wenig Zeit, das Bike in seinem Element zu erleben, allerdings hat sich der erste Eindruck mehr als positiv abgezeichnet.

Besonders für jemanden, der eher selten auf einem E-Bike unterwegs ist, fällt der Umstieg vom nicht motorisierten Bike auf das Moterra SL super leicht. Natürlich ist das Mehrgewicht des Antriebs noch spürbar, allerdings in deutlich geringerem Ausmaß als bei den meisten anderen Full-Powered E-Mountainbikes. Merklich ist allerdings die gute Mischung aus Sicherheit und Pop bei den Abfahrten, die das Fahrwerk und die Geometrie des Moterra SL erzeugen. 

Ein Lenkwinkel von weniger als 63 Grad ist schon eine Seltenheit, besonders an einem E-Bike. Kombiniert mit den nicht zu kurzen Kettenstreben und einem angenehm hohen Stack entsteht eine komfortable Fahrposition. Auch die Sitzposition eignet sich sowohl für lange, wie auch für technische Anstiege. Der Sitzwinkel ist steil genug, um den Fahrer zentral in das Bike zu bringen, allerdings nicht so steil, dass ein gedrängtes Gefühl entstehen könnte.

Hat das Bike etwas Schwung aufgebaut, bietet das Fahrwerk genug Gegendruck, um das Bike leicht vom Boden zu bekommen oder auf das Hinterrad zu ziehen. Das Mullet-Setup sorgt dafür, dass die Agilität erhalten bleibt. Kurz gesagt, das Moterra SL macht einfach Spaß!

Was macht das Motterra SL besonders?

Auf dem Papier sticht natürlich als erstes das Gewicht des Cannondale E-Bikes heraus. Man merkt allerdings schnell, dass bei der Entwicklung wirklich genau darüber nachgedacht wurde, was dieses Mountainbike können soll, wo man Kompromisse eingehen muss und wo alle Ressourcen angewendet werden müssen, die sich Cannondale in den letzten Jahren aufgebaut hat.

Man hätte das neue Moterra SL auch einfach mit einem Standard-Akku ausstatten können, denselben Shimano EP8 verwenden können, den schon zig andere Hersteller verwendet haben und das ganze in ein mittelmäßiges Chassis mit vier Größen des Hauptrahmens packen können. Herausgekommen wäre wahrscheinlich sogar ein ganz gutes E-Mountainbike, allerdings nichts Besonderes und damit haben sich die Amerikaner nicht zufrieden gegeben. Stattdessen wurde dem E-Antrieb die eigene Note verliehen. Das Rahmenkit ist bis ins letzte Detail ausgearbeitet, sowohl in puncto Gewicht wie auch in den Fahreigenschaften und das sogar individuell für jede Größe.

In unseren Augen hat Cannondale mit dem Moterra SL ein herausragendes E-Bike geschaffen. Für sportive Fahrer, die ein E-Bike mit möglichst großer Reichweite suchen, jedoch nicht auf ein agiles und spaßiges Fahrverhalten verzichten möchten, ist das Bike aktuell kaum zu schlagen.

Bonus: Insider-Infos zum Moterra SL mit Roland Czuday

Wir konnten mit Roland Czuday, Produktmanager für E-Bikes bei Cannondale, über das neue Moterra SL sprechen. Was genau sein Aufgabenbereich bei der Entwicklung war, welche Gedanken sich hinter den Design-Konzepten verstecken und wie er die Zukunft des E-Mountainbike-Sports sieht, hat er uns in diesem ausführlichen Interview erzählt: