Focus Jam 8.9 2022 im Test

Focus Jam 8.9 2022 im Test

All-Mountain-Rakete oder Mini-Enduro?

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Das neue Jam schlägt die Brücke zwischen All-Mountain und Enduro. Mit 150 mm Federweg, moderner Geometrie und dem F.O.L.D. Hinterbau vom Jam² E-Bike steht hier eine komplett neue Plattform. Diese Revision des Jam ist auf dem Papier deutlich abfahrtsorientierter geworden. Wir konnten es schon ein paar Tage vor der offiziellen Präsentation testen. Alle Eindrücke und Specs haben wir dir in den folgenden Abschnitten zusammengefasst.

Inhalt: 

Ausstattung

Die Ausstattung “8.9” stellt die hochwertigste Variante des Jam Carbon dar. Wer allerdings ein Kashima-Fahrwerk und Wireless-Schaltung erwartet, der wird enttäuscht. Am 8.9 kommen Komponenten aus den mittleren Qualitätsstufen zum Einsatz, wie zum Beispiel das Fox-Fahrwerk aus der Performance-Klasse. Zwar sind eine Fox 36-Federgabel und ein Float X-Dämpfer verbaut, allerdings ohne die umfangreichen Einstellmöglichkeiten aus den hochpreisigen Segmenten wie Performance Elite oder gar Factory. Lediglich Luftdruck, Druck- und Zugstufendämpfung können bei den Federelementen eingestellt werden. 

Die Komponenten von Schaltung und Bremsen stammen fast komplett aus der Shimano XT-Gruppe, nur Kassette und Kette sind aus der SLX-Gruppe. Zwar hätte man mit einer XTR-Gruppe etwas Gewicht einsparen können, das hätte allerdings auch den Preis des Jam deutlich in die Höhe getrieben, ohne dabei spürbare funktionelle Vorteile zu bringen. 

Schön anzusehen ist der DT-Swiss M1900-Laufradsatz. Breite Felgen mit 30 mm Maulweite und zuverlässigen DT-Naben mit Ratchet-(Zahnscheiben-) Freilauf sind grundsolide. Die Bereifung bildet eine klassische Kombi von Maxxis mit einem Minion DHF und DHR II in Exo- und Exo+ -Karkasse.

  • Fox Performance-Fahrwerk: (36 Grip, Float X)
  • Shimano XT-Bremsanlage
  • Shimano XT/SLX-Schaltgruppe
  • DT Swiss M1900-Laufradsatz
  • MAXXIS Minion DHF Exo 3C/DHR II Exo+ MAXXTERRA-Bereifung

Neue Features

Neben den Weiterentwicklungen der Geometrie und des Hinterbaus, auf die wir in separaten Abschnitten noch genauer eingehen, hat das neue Jam vor allem zwei Features, die es vom Vorgänger abheben.

I.C.S. (Integrated Compartment Solution)

Auf der Oberseite des Unterrohrs findet sich eine kleine Abdeckung, die mittels Druckverschluss gesichert ist. Unter dieser Abdeckung befindet sich ein Staufach, in dem Kleinteile und Snacks verstaut werden können (die I.C.S.). Eine im Lieferumfang enthaltene Tasche sichert das Gepäck und verhindert Klappergeräusche. Dieses Feature findet man immer häufiger. So ein Staufach ist ein echter Pluspunkt für Biker*innen, die gerne auf einen Rucksack oder eine Hip-Bag verzichten möchten und so viel Equipment wie möglich am oder im Bike transportieren wollen. Ein Multitool, Ersatzschlauch, Minipumpe und ein paar Riegel finden Platz in dem Staufach. Die Positionierung des I.C.S. ist allerdings nicht ganz optimal. Durch die Öffnung recht weit oben auf der Oberseite des Unterrohrs ist es schwierig, die längliche Tasche gerade in das Unterrohr einzuführen. Mit einer durchdachten Befüllung versehen, lässt sich die Tasche etwas verformen und dann klappt das Ganze gut. 

C.I.S. Vorbau

Cockpit-Integration-Solution nennt Focus das Konzept des Vorbaus, der die Kabel und Leitungen oberhalb des Lenkers in den Rahmen führt. Das sorgt für eine etwas aufgeräumtere Optik am Lenker, erhöht allerdings auch den technischen Aufwand bei der Verstellung der Lenkerhöhe und dem Austausch von Kabeln und Leitungen.

Die Leitungen verlaufen bei der C.I.S. durch die Lenkerklemmung, oben über den Lenker und Gabelschaft und biegen dann seitlich ab ins Steuerrohr. Durch diese Führung sitzt der Vorbau effektiv etwas tiefer auf dem Gabelschaft. Diese Bauweise benötigt etwas mehr Platz für die Vorbauklemmung und verursacht dadurch eine niedrigere Lenkerhöhe.

Hinterbau

Wir konnten schon den Vorgänger des Jam 8.9 testen und haben damals festgestellt, dass das alte Hinterbau- Design zwar viel Komfort bot, aber auch schnell sehr viel Federweg freigab und folglich ohne viel Gegendruck durchschlug. Der neue F.O.L.D. Hinterbau des Jam 2022 spricht eine andere Sprache. Die Sensibilität ist immer noch gegeben, allerdings bietet der Hinterbau jetzt deutlich mehr Widerstand gegen Mitte und Ende des Federwegs. Dadurch kann das neue Jam mit deutlich mehr Fahrerinput gefahren werden.

Geometrie

Mountainbikes werden immer länger und flacher. So langsam scheint dieser Trend zwar seine Grenzen zu erreichen, allerdings gibt es immer noch Hersteller, die diese Grenzen mit jedem neuen Bike weiter pushen. Auch Focus hat das neue Jam deutlich länger gemacht. Gerade in den großen Größen sind die längeren Reach-Werte wirklich positiv zu bewerten, allerdings haben die Stuttgarter nicht übertrieben und die restlichen Geometriewerte moderat angepasst. 

Mittels eines Flip-Chip am Dämpferauge kann die Geometrie in zwei Positionen angepasst werden. 

Auf dem Trail

Bergauf

Das Jam 8.9 mag mit 15.8 kg nicht das leichteste Bike seiner Kategorie sein, kann man sich von diesem Gedanken allerdings frei machen, bekommt man einen soliden Kletterer. Dank dem Climb-Switch am Dämpfer, bleibt der Hinterbau des Jam ruhig und effizient. Bei manchen Bikes stimmt das Verhältnis aus der Stärke der Plattform und dem Übersetzungsverhältnis des Hinterbaus nicht. Daraus resultiert eine zu schwache oder starke Plattform, das Jam trifft allerdings den Sweetspot. Ohne den Climb-Switch ist der Hinterbau deutlich aktiver während des Pedalierens. Durch die niedrige Front und den relativ steilen Sitzwinkel entsteht eine recht sportliche Sitzposition, die sich bestens zum Klettern eignet. Das eher hohe Gesamtgewicht ist zwar spürbar, allerdings sind knappe 16 kg inkl. Pedalen für ein All-Mountain/Mini-Enduro mit 150 mm Federweg auch nicht exorbitant hoch und das Bike macht bergauf trotzdem eine gute Figur. 

Bergab

Mehr Skalpell als Monstertruck. Die 150 mm Federweg am Jam sind zwar nicht gerade wenig, allerdings fühlt sich das Bike deshalb nicht wie ein Sofa an, das über alles hinwegbügelt und am Boden klebt. Der Hinterbau bietet eine überraschend gute Mischung zwischen Support gegen Ende des Federwegs und Sensibilität bei kleineren Schlägen. Die beiden Fox-Federelemente harmonieren sehr gut im Focus und bieten trotz weniger Einstellmöglichkeiten eine gute Balance. Damit lässt sich das Jam leicht vom Boden poppen und fördert einen aktiven Fahrstil. Die scharfe Geometrie mit 65° Lenkwinkel und kurzen 435 mm Kettenstreben unterstützt dieses Fahrgefühl weiter. Das Bike lenkt schnell ein und fühlt sich verspielt an, agiert schnell bei Richtungswechseln und lässt sich leicht über den Trail bewegen. 

Unserer Meinung nach bietet das Jam damit sehr passende Charakteristiken für die Kategorie – zwischen einem vollwertigen Enduro und einem All-Mountain. In ruppigem Gelände oder bei sehr hohen Geschwindigkeiten kann das Jam allerdings auch etwas nervös wirken.  

Wir haben oben schon kurz angesprochen, dass die Lenkerhöhe durch den Vorbau und die Kabel-Integration relativ niedrig ausfällt. Ob das nun positiv oder negativ ist, hängt von den Vorlieben der Fahrer*innen ab. In Kurven braucht das Jam aber aufgrund der Lenkerhöhe eine zentrale Position des Piloten im Bike, da sonst Grip und Kontrolle am Vorderrad fehlen. Mit einem Riser-Lenker könnte die Front zwar etwas erhöht werden, allerdings fällt das Ausmaß der Verstellbarkeit kleiner aus als bei anderen Bikes. 

Fazit:

Das Jam 8.9 ist eine echte Spaßmaschine für moderate bis mittelschwere Trails. Wird es richtig ruppig und schnell, fehlt dem Bike etwas Laufruhe, allerdings bekommt man dafür ein super scharfes und verspieltes Handling, wenn es mal nicht ganz so heftig zur Sache geht. Das höhere Gewicht ist dank der Geometrie weder im Uphill, noch bei der Abfahrt besonders spürbar. In puncto Ausstattung sind die Komponenten des Jam zwar nicht aus dem High End-Bereich, dafür funktionieren sie aber mehr als solide und ermöglichen einen relativ erschwinglichen Preis. Als einzige herausstechende Besonderheit ist uns die relativ niedrige Lenkerhöhe aufgefallen, die alle Fahrer*innen subjektiv bewerten müssen.


Jam 8.9

  • Rahmen: Carbon / Aluminium
  • Gabel: FOX 36 Float Performance 29 (150mm)
  • Reifen: Maxxis Minion DHF 2.5 / Minion DHR II 2.4
  • Schaltung: Shimano Deore XT M8100 (2×12)
  • Bremsen: Shimano XT M8120 4-piston (200/200)
  • Dämpfer: FOX Float X Performance

Jam 8.8

  • Rahmen: Carbon / Aluminium
  • Gabel: Rock Shox Revelation RC 29 Boost (150mm)
  • Reifen: Maxxis Minion DHF 2.5
  • Schaltung: SRAM NX / SX Eagle (1×12)
  • Bremsen: SRAM GUIDE T (200/200)
  • Dämpfer: Rock Shox Deluxe Select +