E-Bikes sind dank ihrer Power echte Spaßmaschinen. Durch die Unterstützung des Motors wirken jedoch hohe Kräfte auf den Antrieb. Hinzu kommt das insgesamt hohe Gewicht eines E-Bikes. Diese und noch mehr Faktoren fördern die mechanische Abnutzung. Und zwar schneller, als bei Bikes ohne E-Antrieb. Wir zeigen dir, welche Bauteile davon besonders betroffen sind. Dazu Tipps unserer Mechaniker, wie du dem Verschleiß vorbeugen kannst.
Klar, wer ein E-Bike fährt, will auch von der Unterstützung des Motors profitieren. Ein Abschalten des Antriebs ist zwar jederzeit möglich, zum Beispiel um Energie zu sparen oder den Trainingseffekt zwischendurch zu erhöhen. In der Praxis jedoch werden die meisten Fahrer selbst in der Ebene mindestens die niedrigste Eco-Stufe permanent aktivieren. Das reicht aus, um das Mehrgewicht eines E-Bikes zu kompensieren, so dass es sich fährt wie ein Bike ohne Antrieb. Sobald es bergauf geht, kommen mit Sicherheit die höheren Unterstützungsstufen zum Einsatz. Der Motor läuft also quasi permanent – und setzt den Antriebsstrang zusätzlich zur Muskelkraft unter Belastung. Unterscheiden kann man allerdings zwischen E-Bikes für verschiedene Einsatzbereiche. Unsere Erfahrungen aus den Werkstätten zeigen, dass City-E-Bikes weniger beziehungsweise langsameren Verschleiß zeigen als Trekking-E-Bikes oder sogar E-Mountainbikes. Letztere führen die Statistik an. Denn zu den hohen Kräften, die an steilen Anstiegen auf den Antrieb wirken, kommt noch ein deutlich höherer Verschmutzungsgrad aller Komponenten. Zuletzt spielen noch das Gewicht des Fahrers, sowie die allgemeine Qualität der Ausstattung eine gewisse Rolle. Zum Glück gibt es auf dem Zubehörmarkt aber immer mehr stabile Parts, die speziell für E-Bikes konstruiert werden.
Der Antrieb
Als das Herz des E-Bikes stehen alle am Antrieb beteiligten Komponenten unter ständiger Belastung. Die Power und das hohe Drehmoment der modernen Motoren von Bosch, Shimano, Yamaha und TQ verführen dazu, bergauf richtig Gas zu geben. Das unter Mountainbikern grassierende Uphill-Flow-Virus zeigt in diesem Punkt seine Nachteile. Das eigentliche Problem dabei: Hohe Unterstützungsstufen in Verbindung mit zu großen Gängen. Das setzt den Antriebsstrang unter maximale Belastung.
Bis 2019 verbaute Bosch am Performance Motor relativ kleine Antriebsritzel mit 15 bis 21 Zähnen. Dieser verhältnismäßig geringe Durchmesser wirkt sich ungünstig auf den Verschleiß aus, da nur wenige Zähne im Eingriff mit der Kette sind. Im Extremfall kann es ratsam sein, das Ritzel nach etwa 1000 Kilometern auszutauschen (gemeinsam mit der Kette, siehe nächster Punkt). Bei der aktuellen Generation des Performance Motors (Gen4) verwendet Bosch deshalb Kettenblätter mit 30 bis 40 Zähnen.
Die Kette ist neben den Bremsbelägen das Verschleißteil Nummer Eins am Fahrrad und erst recht am E-Bike. Indikator für ihren Zustand ist die Länge, die sich aufgrund der ständigen Streckung erhöht (Materialermüdung). Dadurch werden mit der Zeit die Zwischenräume der Zähne an Kettenblatt und Ritzel ausgearbeitet. Mit der Folge, dass einzelne Neuteile bei den beteiligten Komponenten nicht mehr mit den alten Parts harmonieren. Neben der Streckung zehren auch Schaltvorgänge unter großer Last am Leben der Kette. Fazit: Unsere Werkstätten berichten im Extremfall von E-Bike Ketten, die bereits nach einer Laufleistung von 500 Kilometern ausgetauscht werden mussten. Bei schonender Behandlung, Fahrweise und Pflege (siehe Tipps) kann eine Kette aber auch mehrere Tausend Kilometer halten. Manche Komponentenhersteller haben das Problem inzwischen erkannt und bieten spezielle E-Bike-Ketten mit verstärkten Laschen an.
Leichtbau hat am E-Bike nichts verloren. Denn eine gelängte und verschmutzte Kette nagt auch an den Ritzeln. Genauso wie gewaltsame Schaltvorgänge am Berg. Die Ritzel sind zwar aus Stahl gefertigt, aber bei 10 bis 12 Gangstufen müssen sie recht dünn ausfallen, um Platz zwischen Hinterbau und Speichen zu finden. Um dem Verschleiß vorzubeugen hat der Hersteller Sram beispielsweise für E-Bikes die EX1 Antriebsgruppe entwickelt, die eine Achtfach-Kassette mit extra dicken Ritzeln beinhaltet. Nach der Formel: Weniger Gänge = längeres Leben. Denn in der Regel sind acht Gänge am E-Bike ausreichend.
Unsere Anti-Verschleiß-Tipps zum Antrieb
- Wähle die Unterstützungsstufe tendenziell nicht zu hoch, sondern nutze stattdessen lieber kleinere Gänge, um den „Sweetspot“ des Motors zu finden. Turbo-Modus meiden!
- Vermeide Schaltvorgänge unter Volllast, vor allem über mehrere Gangstufen hinweg.
- Kettenlängung und allgemeinen Zustand regelmäßig checken, beziehungsweise in der Werkstatt checken lassen. Das ist mit einer speziellen Messlehre im Handumdrehen erledigt. Die Kette lieber zu früh als zu spät austauschen. Damit lässt sich der Tausch weiterer Antriebskomponenten hinauszögern.
- Die Kette nicht vernieten, sondern mit einem Kettenschloss verschließen. Das ist eine sichere Verbindung, die auf Tour keine Probleme bereitet.
- Das gilt nicht nur für Mountainbiker: Kette regelmäßig reinigen und mit geeigneten Mitteln schmieren
Die Bremsen
E-Bikes wiegen im leichtesten Fall um 20 Kilo, der Großteil der Modelle aber bis zu 25 Kilo und mehr. Zusammen mit dem Fahrergewicht kommen da schnell 100 Kilo und mehr zusammen. Um diese hohe Schwungmasse zu verzögern, bedarf es einer leistungsfähigen Bremsanlage.
Scheibenbremsen mit 4-Kolben-Sätteln sind gegenüber Modellen mit nur zwei Kolben auf jeden Fall vorzuziehen. Denn hier üben mehr Kolben mehr Druck auf die Scheibe aus, was eine höhere Reibung verursacht. Du erkennst eine 4-Kolben-Bremse an den doppelt vorhandenen, nebeneinander liegenden runden Verschlussdeckeln. Im Bild am Beispiel der Magura MT5. Der schwäbische Hersteller hat mit der brandneuen eSTOP sogar eine spezielle E-Bike-Scheibenbremse im Programm. Achtung: Bei manchen anderen Herstellern ist die Anzahl der Kolben nur auf der den Speichen zugewandten Innenseite des Sattels zu erkennen.
Scheibenbremsen funktionieren ganz einfach nach dem physikalischen Gesetz der Hebelwirkung: Je größer der Hebel, desto höher die Bremsleistung. Deshalb gilt für schwere E-Bikes: Je größer die Bremsscheiben, desto besser. Man sollte darauf achten, dass die Scheiben am E-Bike (besonders an E-MTBs) einen Durchmesser von 203 Millimeter besitzen. Speziell für E-Bikes hat nicht nur Magura jetzt auch Scheiben mit 220 Millimetern Durchmesser im Programm. Das bedeutet gegenüber den 203er Scheiben eine Steigerung der Bremsleistung um weitere 10 Prozent.
Wie am Beispiel der Sram EX1 Ritzelkassette gilt auch für die Bremsscheiben: Mehr Materialstärke beugt einem schnellen Verschleiß vor. Denn beim Bremsen entsteht Abrieb, der die Scheibe mit der Zeit dünner werden lässt. Scheiben am E-Bike sollten aufgrund des hohen abzubremsenden Gewichts mindestens 2 Millimeter dick sein. Man findet sogar vereinzelt 3-Millimeter-Scheiben auf dem Markt. Weitere Vorteile von dicken Bremsscheiben: 1. Sie leiten die Wärme besser ab. 2. Sie neigen weniger zum Vibrieren, sprich, es entstehen weniger nervige Quietschgeräusche. Außerdem berichten unsere Mechaniker von Vibrationen, verursacht von den Stollenreifen auf Asphalt, die sich auf dünne Scheiben übertragen können.
Unsere Anti-Verschleiß-Tipps zu den Bremsen
- Bremsbeläge verschleißen am E-Bike schneller als an Bikes ohne E-Antrieb. Wir empfehlen, den Zustand der Beläge regelmäßig zu checken und abgenutzte Beläge rechtzeitig auszutauschen.
- Neue Beläge und Scheiben müssen nach Vorgaben des Herstellers eingebremst werden! Der Ablauf ist meist eine bestimme Anzahl an Vollbremsungen in bestimmten Abständen und Tempi. Danach sind Beläge und Scheiben widerstandsfähiger! Bitte dazu die Empfehlungen des Herstellers berücksichtigen.
- Grundsätzlich keine Leichtbauparts an der Bremsanlage verwenden!
Die Reifen
Das hohe Gewicht von E-Bikes und der E-Antrieb sorgen dafür, dass man vor allem am Hinterradreifen mit höherem Abrieb rechnen muss als man das normalerweise gewohnt ist. Denn der Motor macht es möglich, extrem steile Trails bergauf zu fahren. Dank der Unterstützung wühlt sich das Hinterrad durch alles durch was da kommt. Scharfkantiges Gestein nagt vehement an den Stollen. Der Zeitpunkt zum Tausch? Wenn die mittleren Stollen sichtbar abgenutzt sind und der Grip spürbar nachlässt. Oder wenn Schäden an der Karkasse und den Seitenflanken auftreten.
Rahmen und Federgabeln
Das hohe Gewicht von E-Bikes rührt nicht alleine von Motor und Akku her. Auch die Rahmen müssen stabiler gebaut werden, um den Belastungen während der Fahrt standzuhalten. Die Antriebs- und Verwindungskräfte sind nicht zu unterschätzen. Deshalb wird meist ein besonders stabiles Motor-Interface verwendet, das im so genannten Gravity Casting gefertigt wird. Dabei handelt es sich um ein Gussverfahren, bei dem das geschmolzene Metall direkt in eine Form gegossen wird. Das Ergebnis: Ein Bauteil mit minimalen Toleranzen und hoher Stabilität – aber auch ein gewisses Mehrgewicht fürs E-Bike. Mit Schäden durch tatsächlichen Verschleiß ist daher am E-Bike in den seltensten Fällen zu rechnen. Auch die Federgabel ist angesichts des E-Bike-Gewichts hohen Belastungen ausgesetzt. Deshalb findet man auf dem Markt auch spezielle, verstärkte E-Bike-Federgabeln wie die weit verbreitete Suntour NEX.
Dem Verschleiß vorbeugen mit richtiger Pflege
Regelmäßige Pflege des E-Bikes gehört zum Pflichtprogramm. Nicht nur nach Schlechtwetterfahrten! Das gilt besonders für E-Mountainbikes, die im Gelände einer erhöhten Verschmutzung ausgesetzt sind. Regel Nummer Eins: Niemals mit dem Hochdruckreiniger arbeiten. Sonst sind Motorschäden vorprogrammiert.
Wenn überhaupt, dann einen normalen Wasserschlauch mit niedrigem Wasserdruck verwenden. Nie den Wasserstrahl direkt auf Lagerungen und Motor richten! Es empfiehlt sich, starke Verschmutzungen vorab mit Hilfe eines speziellen Fahrradreinigers anzuweichen. Am besten benutzt man zum Putzen einen Eimer Wasser, Schwamm und Bürste.
- Achte beim Kauf von Ersatzteilen auf gute Qualität. Wer hier am falschen Ende spart, zahlt später drauf. Wenn möglich auf spezielle E-Bike-Parts zurückgreifen.
- Nicht jeder ist zum Hobbyschrauber geboren. Wer sich den Austausch von Komponenten nicht zutraut, sollte lieber einen Termin bei einer Werkstatt vereinbaren. Das gilt auch für den regelmäßigen Kundendienst oder wichtige Service-Intervalle, zum Beispiel an den Federelementen.