Elektronische Schaltungen erklärt

Elektronische Schaltungen erklärt

Gangwechsel auf Knopfdruck, so präzise wie ein Schweizer Uhrwerk.

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Schwergängige Schaltungen waren gestern! Elektronische Schaltgruppen, die mit Hilfe von Drahtlos-Technik und hochpräzisen Stellmotoren blitzschnell die Übersetzung ändern, erobern rasant den Markt. Wir erklären wie sie funktionieren und geben eine Übersicht über die wichtigsten Hersteller und deren elektronische Schaltgruppen.

Die Erfindung der Seilzug-gesteuerten Schaltung war eine Revolution in der Fahrradtechnik. Und man muss sagen: Dieses Funktionsprinzip hat durch stetige Weiterentwicklung bis heute eine hohe Perfektion erreicht. Dennoch sind Bowdenzug-Systeme seit jeher anfällig gegen Verschmutzung und Verschleiß. Die Folge: Schwergängige und ungenaue Gangwechsel verbunden mit einem relativ hohen Wartungsaufwand. Aber die Tage der Seilzüge sind gezählt!

Servomotor statt Bowdenzug

An modernen Mountainbikes und Rennrädern drängen sich bis zu 13 Ritzel am Hinterrad. Der Platz zwischen Hinterbau und Speichen ist jedoch begrenzt. Deshalb sind die Abstände zwischen den einzelnen Ritzeln mit jeder Generation geringer geworden. Die Folge: Der Schaltkäfig muss heute pro Gangstufe extrem wenig Weg zurück legen. Und darüber hinaus präzise aufs Zehntel-Millimeter unter dem gewählten Ritzel stehen bleiben. Mit dieser Aufgabe sind Bowdenzüge, die einer gewissen Dehnung und Verschleiß unterliegen, zunehmend überfordert.

Die Sram Transmission ist derzeit das Nonplusultra unter den elektronischen Schaltungen.

Bei elektronischen Schaltungen übernimmt diesen Job ein präziser Servomotor, der sich direkt im Schaltwerk beziehungsweise im Umwerfer befindet. Die Mini-Motoren erhalten ihre Schaltbefehle via Kabel oder besser noch via Funk vom Schalthebel am Lenker. Dadurch sind alle Gangwechsel stets identisch, präzise und schnell. Die Servos werden von kleinen Akkus mit Energie versorgt, die sich je nach Hersteller an unterschiedlichen Stellen des Bikes befinden.

Shimano Di2

Der Komponenten-Marktführer stellte seine erste elektronische Schaltgruppe fürs Rennrad im Jahr 2010 vor: Die Dura Ace Di2. Die Ultegra Di2 Gruppe folgte einige Jahre später. Bis zur Generation 2022 wurden die Schaltbefehle bei beiden Gruppen via im Rahmen verlegter Kabel übertragen. Mit Präsentation der elektronischen 105 Di2 Gruppe im Jahr 2022 hielt bei Shimano die Drahtlos-Technik Einzug. Während die preiswerte „Volksgruppe“ 105 Di2 ausschließlich per Funk schaltet, hat man bei den aktuellen Gruppen Ultegra Di2 und Dura Ace Di2 die Wahl zwischen Kabel und Wireless-Technik.

Das Shimano Di2 System kommt nicht ohne Kabel aus.
Denn der Akku für die Servos sitzt im Rahmen.

Vor einigen Jahren wurde die Di2-Technik auch für Mountainbikes vorgestellt. Und relativ neu auch im Lifestyle-Bereich. Aktuell gibt es eine Shimano XT Di2 MTB-Gruppe und die zuletzt präsentierten CUES Di2 Komponenten für Trekking- und Citybikes. Im Gegensatz zu den elektronischen Rennrad-Schaltungen sind diese Di2 Gruppen jedoch ausschließlich an E-Bikes zu finden. Und auch nur, wenn die E-Bikes ab Werk mit den Di2-Komponenten ausgestattet sind. Weitere Besonderheiten: Bei den Schaltungen stehen die beiden neuen Modi Auto-Shift und Free-Shift zur Wahl. Auto-Shift kann die Schaltvorgänge vollautomatisch übernehmen. Mit Free-Shift lassen sich die Gänge im Leerlauf wechseln, also ohne zu treten.

Bedienung und Energieversorgung

Am Rennrad kommen die optisch bekannten Schalt-/Bremshebel zum Einsatz. Anders als bei den mechanischen Schaltungen ist der Bremshebel aber nicht schwenkbar. Dafür liegen hinter dem Bremshebel zwei leichtgängige Taster, mit denen die Schaltvorgänge ausgelöst werden. Optional erhältlich sind Satelliten-Schalter, die am Oberlenker, den Lenkerenden oder vorne an Zeitfahrlenkern montiert werden können. Bei den Di2 Mountainbike Gruppen sitzt der (Doppel-)Taster an der üblichen Position unter dem rechten Lenkergriff und wird mit dem Daumen bedient.

Hochschalten mit dem flächigen Taster, runter mit dem geriffelten.
Die magnetische Ladebuchse sitzt hinten am Schaltwerk.

Der zum Schalten benötigte Strom kommt von einem zentralen Akku, der meist im unteren Teil des Rahmens oder in der Sattelstütze sitzt. Die zentrale Ladebuchse befindet sich am Schaltwerk. Die Schalt-Bremshebel sind mit Knopfzellen-Batterien ausgestattet. Bei einer Reichweite von rund 2000 Kilometern und entsprechend vielen Gangwechseln, muss man kaum Angst haben, dass die Energie unerwartet ausgeht. Und das Aufladen ist in anderthalb Stunden erledigt.

Individualisierung

Mithilfe von Bluetooth und der Verbindung zum Smartphone (E-Tube App) lassen sich die Schaltgruppen in vielen Funktionen individualisieren. Beispiel Rennrad: Der Syncro-Shift Modus ermöglicht, dass die Schaltung lediglich mit dem rechten Schalthebel fürs Schaltwerk bedient werden kann. Das heißt, bei entsprechender Übersetzung führt der Umwerfer die nötigen Wechsel am Doppelkettenblatt automatisch durch. Des weiteren wird die Feinjustierung von Schaltwerk und Umwerfer via App erledigt.

Mehr Infos zum Konfigurieren von Di2 Gruppen findest du hier:

Die Shimano Di2 Gruppen im Überblick

Sram AXS

Der US-amerikanische Komponentenhersteller SRAM hat ganze 10 E-Gruppen für Rennräder und Mountainbikes im Programm. Zu erkennen sind die Komponenten am Namenszusatz AXS. Neuester Zuwachs sind die vier Transmission Gruppen, die grundsätzlich mit Strom schalten. Transmission ist die Bezeichnung der neu entwickelten Schaltwerke, die direkt am hinteren Ausfallende mit Hilfe der Steckachse montiert werden. Die Übertragung der Schaltbefehle erfolgt bei SRAM stets kabellos. Die Montage einer SRAM Wireless-Schaltgruppe ist deshalb so einfach wie nie, denn es gibt auch keine Kabel, die zu einem separaten Akku führen. Denn dieser sitzt direkt am Schaltwerk, beziehungsweise am Umwerfer.

Der Mini-Akku sitzt direkt an Schaltwerk und Umwerfer.
Komplett kabellos dank Funkübertragung, dafür klobiger.

Bedienung

Auch bei der Bedienung und der Schaltlogik geht Sram seinen eigenen Weg. Beispiel Rennrad-Gruppen: An jedem Brems-/Schalthebel gibt es einen Schalthebel, die in Kombination wie die Lenkrad-Schaltwippen an einem Sportwagen funktionieren. Drücken links schaltet am Schaltwerk in einen leichteren Gang (Kette steigt). Drücken am rechten Hebel schaltet hinten in einen schwereren Gang (Kette fällt). Drückt man beide Taster gleichzeitig, schaltet der Umwerfer aufs große beziehungsweise aufs kleine Kettenblatt, je nachdem, wo die Kette gerade aufliegt. Wie bei Shimano lassen sich optional erhältliche Zusatzschalter an Ober- oder Unterlenker montieren. Es handelt sich dabei um einfache Schaltknöpfe, so genannt Blibs.

Road: Der rechte Hebel dient nur zum Hochschalten.
MTB: Transmission Schalthebel mit zwei Tasten.

Bei den Mountainbike-Gruppen sitzt ein kompakter Daumen-Schalter unterhalb des rechten Lenker-Griffs, so wie man es von herkömmlichen Daumen-Schalthebeln her kennt. Je nach Baureihe/Gruppe funktionieren sie wie kleine Wippschalter (AXS) oder über zwei separate Tasten zum hoch- und runterschalten (Transmission). Da es bei Sram MTB E-Gruppen ausschließlich mit 1-fach Kettenblatt gibt, fallen Umwerfer und linke Schalthebel weg.

Individualisierung

Wie bei modernen Systemen üblich lassen sich die elektronischen Sram Schaltgruppen über eine App feinjustieren und sogar auf die eigenen Bedürfnisse hin anpassen. Das geht so weit, dass man sogar die Schaltlogik ändern kann. Interessant ist auch, dass die Komponenten der AXS Gruppen untereinander kompatibel sind. Beispielsweise lässt sich ein Eagle AXS Schaltwerk (MTB) mit AXS Rennrad-Hebeln ansteuern. Das Eröffnet tolle Möglichkeiten, ein Adventure-, Reise- oder Gravelbike mit breitbandigem 1-fach Antrieb aufzubauen. Auch die elektronisch gesteuerte Reverb Teleskop-Sattelstütze lässt sich ins System integrieren.

Die Sram AXS Gruppen im Überblick

Fazit

Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Elektronische Schaltsysteme erobern immer schneller Rennräder und Mountainbikes. Sie garantieren stets 100 Prozent exakte und schnelle Schaltvorgänge. Und dank drahtloser Übertragung der Schaltbefehle fällt das aufwändige Verlegen von Kabeln weitgehend weg. Zu beobachten ist auch, dass elektronische Schaltungen nicht mehr ausschließlich HighEnd-Bikes vorbehalten sind. So stößt Shimano mit der Rennradgruppe 105 Di2 und Sram mit der GX Eagle AXS in erschwingliche Preisregionen vor.