Mit dem Mountainbike über die Alpen. Eine 5- bis 6-tägige Etappenfahrt, die viele Biker auf ihrer To-Do-Liste stehen haben. Diese Tour über das größte Gebirge Mitteleuropas steht für ein großartiges Naturerlebnis und endlosen Fahrspaß. Aber auch für Durchhaltevermögen, Schweiß und manchmal auch Tränen. In unserer 5-teiligen Serie zeigen wir dir alles, was du für deinen ersten Alpencross wissen musst. Von der Vorbereitung über die Routenplanung bis hin zum geeigneten Bike und dem nötigen Gepäck.
Wer hat‘s erfunden?
Nein, dieses Mal waren es nicht die Schweizer! Man schrieb das Jahr 1989, als der Allgäuer Extrembergsteiger Andi Heckmair sich aufmachte, diese verrückte Idee in die Tat umzusetzen. Den Überlieferungen nach gilt Heckmair als der erste Alpenüberquerer mit dem Mountainbike. Man muss bedenken: Im Jahr 1989 war das Mountainbike in Europa noch längst nicht auf breiter Front etabliert. Die Technik nicht ansatzweise vergleichbar mit den heutigen Standards: Federung? Fehlanzeige! 12 Gänge? Träum weiter! Geschweige denn die Option, einen Alpencross mit einem E-Bike in Angriff zu nehmen.


Selbstverständlich konnte man auch nicht auf Wegbeschreibungen in Büchern oder Magazinen zurückgreifen. Und das Internet war noch nicht einmal erfunden worden. Unter diesen Voraussetzungen war seine Fahrt also durchaus eine Pionierleistung. Legendär auch seine damalige Routenplanung. Er breitete eine Alpenkarte auf dem Tisch aus und zog mit dem Lineal eine Linie zwischen seinem Heimatort Oberstdorf und dem anvisierten Ziel in Riva am Gardasee. Anschließend hangelte er sich irgendwie im Bereich dieser Linie entlang über die Alpen. Ob ein Weg fahrbar sein würde oder die Aktion in stundenlanger Schieberei endete, konnte Heckmair nur abschätzen. Ein echtes Abenteuer.
Was genau ist eigentlich ein Alpencross?
Jetzt mögen einige lachen, aber die Frage ist erlaubt. Denn die Definition ist vielleicht nicht jedem klar. Bei einem Alpencross gilt es, die Alpen in ihrer gesamten Breite vom Nord- zum Südrand zu überqueren. Also Beispielsweise von Oberbayern bis in die Po-Ebene. Oder vom Bodensee durch die Schweiz dorthin.

Kurios: Viele der heute etablierten Routen enden In Riva del Garda. Aber genau genommen hat man dort die Alpen noch nicht ganz überquert. Denn der Ort liegt am nördlichsten Zipfel des Gardasees, mitten in den Bergen. Erst das Südufer des Gardasees, 50 Kilometer südlich von Riva liegt am Rand der Po-Ebene. Also dort, wo die Alpen verebben.
Auch in den Westalpen gibt es viele tolle Routen. Zum Beispiel vom Genfersee zur Cote d‘Azur. Diese verläuft zwar ebenfalls von Nord nach Süd, ist aber aufgrund des Alpenbogens, der dort ebenfalls in Nord-Süd-Richtung verläuft, keine Durchquerung im eigentlichen Sinn. Aber spielt das überhaupt eine Rolle? Nein. Der Weg ist schließlich das Ziel.
Herausforderung Alpenhauptkamm
Die größte Hürde bei fast jeder Route ist die Überquerung des Alpenhauptkamms. Zum einen muss man dort in vergleichsweise große Höhen klettern – es sei denn, die Route verläuft über relativ niedrige Übergänge, beispielsweise Brenner oder Reschen. Zum anderen ist die Auswahl an Offroad-Pässen über den Hauptkamm nicht sehr groß. Zumindest gibt es nicht sehr viele, die durchgehend mit dem Mountainbike fahrbar sind. An den hohen Pässen über den Hauptkamm muss man sich also auf Trage- und Schiebepassagen einstellen. Und sich vorab die Frage stellen: Was kann ich mir zutrauen? Bin ich fit genug? Mehr zum Thema Fitness, Training und Vorbereitung erfahrt ihr im zweiten Teil unserer Serie.

Alpencross heute
Heute kennt (fast) jeder Radfahrer den Begriff Alpencross. Denn es sind längst nicht mehr ausschließlich Mountainbiker, die sich auf große Fahrt über die Alpen machen. Man trifft genauso Rennradler, Trekkingbiker und vor allem Gravelbiker. Dennoch: Die größte und aktivste Gruppe sind immer noch die Mountainbiker. Anfangs hieß es noch, dass man als Biker eine Alpenüberquerung zumindest einmal im Leben gemacht haben muss. Heute sind es nicht wenige, die jedes Jahr eine neue Route in Angriff nehmen. Quasi als Highlight der Bikesaison. Sicher ist, dass viele Biker, die einmal eine Alpenüberquerung gemacht haben, es wieder tun wollen. Vorsicht! Das Virus kann jeden erwischen.
Kann ich eine Alpenüberquerung schaffen?
Man hört und liest immer wieder den Satz: „Jede/Jeder Biker(in) kann eine Alpenüberquerung schaffen.“ Das mag grundsätzlich stimmen. Und auch für Motivation sorgen, ein solches Projekt tatsächlich in Angriff zu nehmen. Erst recht im Zeitalter von E-Bikes, die sicherlich die Frage nach der körperlichen Leistungsfähigkeit, sprich Kondition und Fitness, etwas in den Hintergrund drängen.

Soviel vorweg: Wir empfehlen eher nicht, auf Teufel komm ‘raus ins Blaue zu starten. Auch wenn das mit Glück vielleicht irgendwie funktionieren könnte. Sinnvoller ist es, sich selbst einschätzen zu lernen, und eine Route zu planen, die den eigenen Fähigkeiten entspricht. Sowohl konditionell als auch fahrtechnisch. Um die Planung wird es im dritten Teil unserer Serie gehen. Ihr dürft gespannt sein!
Organisierter Alpencross
Wenn du dir nicht zutraust, selbst eine Route zu planen, oder dir Zeit und Wissen dafür fehlen, gibt es immer noch die Möglichkeit, einen geführten Alpencross bei einem Veranstalter zu buchen. Auf dem Markt tummeln sich dutzende Anbieter, die verschiedenste Angebote und Routen im Programm haben. Klar, das kostet Geld. Aber dafür brauchst du dich außer der Anreise zum Startort um nichts zu kümmern.
Aber auch bei dieser Variante musst du dein Fahrkönnen und deine Leistungsfähigkeit richtig einschätzen, um in die passende Gruppe zu gelangen. Denn unterwegs im Hochgebirge gibt es meist keine Möglichkeit, die Fahrt abzubrechen. Oder eine Etappe per Shuttle zu überbrücken. Generell spricht also nichts gegen kommerzielle Anbieter. Und das Erlebnis in der Gruppe kann auch sehr schön sein.